| Jenseit des Tweed | 
  
   
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    Kapitel 14  | 
  
   
    Stirling-Castle  | 
  
  
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           Das 
              große und saubere Zimmer, in das wir geführt wurden, 
              lag nach hinten hinaus, was ein neuer Vorzug war, da die Front des 
              Hauses keine Aussicht bietet, während die Hinterzimmer auf 
              den alten, malerisch gelegenen Stadtteil hinausblicken, der sich 
              am Abhang des Hügels hinauf- und hinunter zieht. 
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           Stadt 
              Stirling liegt teils am Fuße, teils am Ostabhange jenes 
              Felsenhügels, auf dessen höchster Spitze Schloß 
              Stirling ragt. Die vom Hügel herabsteigenden Straßen 
              und Gassen münden mehr oder minder senkrecht in die am Fuß 
              des Hügels sich hinziehende High-Street ein. Diese High-Street 
              entspricht mutatis mutandis der Princes-Street von Edinburg, während 
              das Gewirr der hügelansteigenden Straßen und Gassen in 
              Erscheinung, Lage und Fülle historischer Rückerinnerungen 
              an die Altstadt von Edinburg erinnert.  | 
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           Auch 
              die Schloßhügel beider Städte sind in Höhe, 
              Formation und Umgebung nahe verwandt, und ihre Linien unterscheiden 
              sich nur insoweit, daß das Edinburger Schloß einem liegenden, 
              das Stirlinger aber einem sitzenden Löwen gleicht. Beide erheben 
              sich plötzlich und unvermittelt aus der Ebene und blicken, 
              dem Hochlande zugewandt, wie Wächter landeinwärts, die 
              Rückenlinie des wie schlafend daliegenden Edinburger Hügels 
              aber ist eine allmählich ansteigende, während Stirling-Castle 
              bereits, wie vor einem nahen Geräusch, in die Höhe gefahren 
              ist und mit halbsenkrechter Rückenlinie erwartungsvoll dasitzt. 
               
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          |   Wir 
              befinden uns alsbald angesichts von Stirling-Castle auf einer Esplanade, 
              die den Vorhof zum Schlosse bildet. Wir verweilen hier einen Augenblick, 
              um den malerisch kostümierten Hochländern einen Blick 
              zu gönnen. Aus dem Schloßtor heraus treten einzelne, 
              um seitabwärts auf einem großen Rasenplatz an dem Spiele 
              teilzunehmen, das bereits ein Dutzend Mitspieler zählt. Wir 
              treten näher, um dem Spiele zuzusehen, von dem wir hören, 
              daß es zu den nationalen Spielen des Landes gehört. Es 
              ist ein Spiel, das zwischen dem Diskuswerfen des alten und dem Bocciaspiel 
              des neuen Roms die Mitte hält, richtiger sich aus beiden zusammensetzt.  | 
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           Stirling-Castle, 
              in derselben Weise wie der Londoner 
              Tower oder Schloß 
              Edinburg, besteht aus einem bunt zusammengewürfelten Häuserhaufen, 
              der allen möglichen Jahrhunderten und Baustilen angehört 
              und dem nichts gemeinsam ist als der Fels, darauf er steht, und 
              die Wallmauer, die ihn umzieht. Palast, Kapelle und Parlamentsgebäude 
              drängen sich hier auf engstem Raum zusammen, unterbrochen durch 
              Kasernen, Waffen- und Munitionshäuser, von denen einzelne fünfhundert 
              und andere nicht fünfzig Jahre zählen. 
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          |   Das 
              Bild, das sich von dieser Stelle aus vor dem Beschauer entrollt, 
              ist ganz einzig in seiner Art und übertrifft an eigentümlichem 
              Zauber jenes Panorama noch, das uns ein Blick von Edinburg-Castle 
              gewährt. Worin 
              dies Plus an Reiz und Schönheit zu suchen, ist schwer zu sagen. 
              Aber eine Vermutung sei wenigstens gestattet. Das schöne Bild, 
              das sich einem vom Edinburger Schlosse aus bietet, zersplittert 
              unsere Empfindung, statt sie auf einen Punkt, nach einer Richtung 
              hin zu konzentrieren. Nichts unterbricht dagegen die stille romantische 
              Sprache des Platzes, auf dem wir stehen, wohl aber ist es, als antworte 
              ein Echo aus all den Feldern und Bergen her, die dies jetzt wie 
              verzaubert daliegende Schloß in weiten Kreisen umziehen.   | 
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           Unmittelbar 
              zu unserer Linken und Rechten steigen zwei kleinere Felsen neben 
              dem eigentlichen Schloßfelsen auf, der eine der Ladies-Rock, 
              der andere der Mole-Hill geheißen. Wie zwei Löwenjunge 
              sitzen sie neben dem Alten, der ernst in die Ferne sieht. Auf dem 
              Ladies-Rock saßen einst die Damen des schottischen Hofes wie 
              auf der Höhe eines Amphitheaters und sahen den Turnieren und 
              Ritterspielen zu, die am Fuß des Hügels aufgeführt 
              wurden. 
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           Und 
              wie oft entschieden sich die Geschicke des Landes auf diesen Feldern, 
              die Stirling-Castle in kaum meilenweitem Kreise umziehen; vierzehn 
              Schlachtfelder sind es, die man, den Wallrand umschreitend, wie 
              einen dichtgeflochtenen Kranz um Stirling gelagert sieht. Nach Norden 
              hin die Stirlinger 
              Brücke ...  | 
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               ... und Sheriffmuir, 
                nach Südosten hin Falkirk 
                und Sauchieburn, 
                vor allem aber im Süden jenes Feld von Bannockburn, 
                das noch jetzt in Liedern klingt und jeden einzelnen mit stolzer 
                Freude füllt. 
                
              Schlachtfeld 
                von Bannockburn. Am 24.6.1314 besiegten die Schotten unter Robert 
                the Bruce die übermächtigen Engländer. 
               
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           Das 
              sogenannte »Douglaszimmer« befindet sich in der Nordwestecke 
              des Schlosses und führt seinen Namen in Erinnerung an William 
              Douglas, der hier von König 
              Jakob II. ermordet wurde. Lord Douglas, dessen Haus 
              ebendamals auf der Höhe seines Ruhmes stand, hatte mit den 
              Lords Roß 
              und Crawford 
              eine Art Schutzbündnis geschlossen, dessen letzter Endzweck 
              sich gegen den König richtete und mindestens die Macht und 
              das Ansehen der Krone erschüttern sollte. König Jakob 
              berief seinen übermütigen Vasallen nach Schloß Stirling, 
              versprach ihm frei Geleit und suchte ihn, von dem geschlossenen 
              Bündnis abzuziehen.  
              Als Douglas unerbittlich blieb, 
                zog der König endlich den Dolch und stieß den Lord 
                mit den Worten nieder: »Wenn nichts helfen will, so helfe 
                dies.« Das Zimmer, in dem dieser Mord (der damals ein ganz 
                ungewöhnliches Aufsehen gemacht zu haben scheint) begangen 
                wurde, zeigt nichts mehr, was an so blutige Vorgänge erinnern 
                könnte. Der Einrichtung, besonders allerhand Schnitzwerk 
                und die Holzbekleidung an Wand und Decke, hat zwar die mittelalterlichen 
                Formen beibehalten, aber alles sah so blink und blank aus, daß 
                man auf den ersten Blick die Nachbildung erkennen konnte.  
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               Bis vor etwa sechzig 
                Jahren war man in Zweifel darüber, ob das sogenannte Douglaszimmer 
                denn auch wirklich Anspruch auf seinen Namen habe. Einige Geschichtskundige 
                hatten sich nämlich immer geneigt gezeigt, den Schauplatz 
                des Mordes an eine ganze andere Stelle des Kastells zu verlegen. 
                Seit 1794 aber ist der Streit zugunsten der alten Tradition geschlichtet. 
                Als in jenem Jahre der Garten umgegraben wurde, der sich noch 
                jetzt an den Fenstern des Douglasroom entlang zieht, fand man 
                acht Schritt von der Mauer entfernt ein Skelett, mit dessen Hilfe 
                die Akten über diesen Gegenstand geschlossen wurden. Es heißt 
                nämlich in alten schottischen Geschichtsbüchern ganz 
                ausdrücklich, daß der Leichnam des Ermordeten aus dem 
                Fenster geworfen und in einiger Entfernung von demselben von den 
                Dienern des Königs verscharrt wurde. 
               
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           An 
              der Südseite des Kastells, also dem Douglaszimmer gegenüber, 
              befindet sich der ehemalige Palast, 
              ein reich verzierter alter Bau aus der Zeit Jakobs 
              V. Vom Tal aus gesehen, gewährte der alte Königsbau 
              um seiner hohen Fenster und reichen, massigen Ornamentik willen 
              einen prächtigen Anblick, tritt man aber kritisch nah an ihn 
              heran, so halten seine in der Ferne gemachten Zusagen nicht Wort, 
              und man erkennt zum Teil als baren Ungeschmack, was in die Ferne 
              hin nicht ohne Wirkung war.  | 
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               Der dritte Punkt von 
                Interesse ist die ehemalige Royal 
                Chapel, jetzt eine Waffenkammer. Mr. Wood, der Büchsenmacher, 
                ein lebhafter, kleiner Mann, der die untern Zimmer des Hauses 
                bewohnt, führt uns mit großer Bereitwilligkeit treppauf. 
              Er ist bescheidener als 
                nötig wäre und versichert uns vorweg, daß es mit 
                den Schätzen seines Zeughauses nicht viel auf sich habe. 
                Wir sind gezwungen, ihm zu widersprechen. 
               
               
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               Mr. Wood holt aus der 
                Ecke eine Lochaber Axt herbei, die er jetzt mit den Worten auf 
                den Boden stößt: »There is something from Bannockburn.« 
                Diese Lochaber Äxte, deren im ganzen 42 auf dem Felde von 
                Bannockburn gefunden wurden, sind jetzt als Raritäten über 
                alle Waffenkammern Europas verbreitet, Schottland selbst besitzt 
                ihrer zwei, von denen die eine jetzt vor uns steht. Ich sah diese 
                alte, berühmt gewordene Waffe hier zum erstenmal. Sie hat 
                nichts von einer Axt, sondern entspricht genau den gradlinigen 
                polnischen Sensen, von denen sie sich nur durch einen Haken unterscheidet, 
                der in halber Höhe des Senserückens aus demselben hervorwächst. 
                Es muß überraschen, daß es zweimal in der Geschichte, 
                unter Verhältnissen, die sich innerlich ebenso verwandt waren, 
                wie sie äußerlich sich fernstanden, dieser Sensenwaffe 
                vorbehalten war, eine Art Sinnbild jenes Schreckens zu werden, 
                den Mut und Vaterlandsliebe in die Reihen eines sonst siegreichen 
                Feindes trugen. 
                
              Lochaber 
                Axt: dieses Exemplar ist am Pass 
                von Killiecrankie ausgestellt 
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