| Jenseit des Tweed | 
  
   
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    Kapitel 5  | 
  
   
    Edinburg-Castle  | 
  
  
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              Wer kennt nicht das Edwin 
                Landseersche Bild »Der 
                Frieden«? An dieses Bild mußt ich denken, als 
                ich oben auf Edinburg-Castle 
                stand. Alles ringsum atmete Frieden; selbst die Halbmondbatterie, 
                die ein Dutzend Geschütze aus dem Mauerwerk hervorstreckt, 
                erschien mir so friedlich wie jene rostige Kanone im Grase. Die 
                ganze Burg, mit ihren kriegerischen Prätentionen, ein gutherziger 
                Polterer und nichts mehr! Mit Staunen hört' ich, daß 
                im Jahre 1570 noch eine wirkliche Belagerung dieser Felsenfestung 
                stattgefunden hat. Philipp le Grange, ein Anhänger Maria 
                Stuarts, hielt sich hier 33 Tage lang gegen die vereinigten Anstrengungen 
                einer englisch schottischen Belagerungsarmee. 
               Dreiunddreißig 
                Minuten würden jetzt ausreichen, sämtliches Mauerwerk 
                dieser Festung in einen Schutthaufen zu verwandeln. 
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          Schottland 
              besitzt laut der Unionsakte vier Festungen: Edinburg-Castle, Stirling-Castle, 
              Blackneß 
              und Dumbarton. 
              Sie gleichen sich wie Brüder untereinander und sind alle, um 
              sie durch ein einziges Wort zu bezeichnen, verkleinerte, niedrig 
              gelegene, mehr burg- als festungsartige Königsteins. 
              Für den, der in London war, vergleich ich sie in mancher Beziehung 
              noch besser mit dem Tower. 
              Edinburg-Castle insbesondere rechtfertigt diesen Vergleich.  | 
         
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          Die 
              meisten Gebäude, die sich auf Edinburg-Castle vorfinden, sind, 
              wie beim Londoner Tower, von modernem Datum. So reduzieren sich 
              die historisch interessanten Baulichkeiten von Edinburg-Castle eigentlich 
              auf zwei Punkte: auf eine kleine, schmucklose, bis in die Pikten-Zeit 
              zurückreichende Kapelle, 
              in der jetzt die zur englischen Episkopalkirche 
              gehörigen Soldaten der Besatzung ihre Kinder taufen lassen,  | 
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          und 
              auf ein an der Südostecke des Hügels gelegenes, unscheinbares 
              Wohnhaus, in dem Maria Stuart, drei Monate nach der Ermordung Rizzios, 
              den späteren König 
              Jakob VI. gebar.  | 
         
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          Wir 
              kehren jetzt in die Zimmer zurück, die die einzigen in Schloß 
              Edinburg sind, die noch an die Königin Maria erinnern. Aus 
              dem Vorsaal oder der Wachtstube treten wir in das Klosett der Königin. 
              Dies Zimmerchen mit seinem braunen Wandgetäfel macht noch jetzt 
              den Eindruck einer gewissen Eleganz, wenigstens des Niedlichen und 
              Wohnlichen, wobei man freilich von der fast erdrückenden Kleinheit 
              des Raumes absehen muß. Es gleicht durchaus einer braungetäfelten, 
              altmodischen Schiffskajüte.  | 
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          Wie 
              sich von selbst versteht, hat ein Zimmerchen von dieser Ausdehnung 
              nur ein Fenster. Aus diesem Fenster wurde Jakob VI., den die Gegner 
              Marias schon damals in ihre Gewalt zu bekommen trachteten, wenige 
              Tage nach seiner Geburt in einem Korbe herabgelassen und unten am 
              Fuße des Berges von Anhängern der Königin in Empfang 
              genommen.  | 
         
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          Der 
              Felsen ist hier vollkommen steil. Die Königin muß starke 
              Nerven gehabt haben, daß sie nicht vor dem Gedanken erschrak, 
              ihr Kind diese grauenhafte Luftreise machen zu lassen. Daß 
              der junge Prinz sie glücklich machte und wohlbehalten unten 
              ankam, mag nachträglich wie ein Zeichen gedeutet werden, daß 
              er, im Gegensatz zu den Geschicken seiner 
              Familie, in der von jeher ein früher und unnatürlicher 
              Tod die Regel war, bestimmt war, zu leben.  | 
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          | Ich habe Edinburg-Castle 
            mehrfach mit dem Tower verglichen und es gegen den letzteren zurückgestellt. 
            Aber eines hat es voraus, das ist die Schönheit seiner Lage. 
            Auch der eingefleischteste »Cockney« 
            – und wäre er aus dem vorschriftsmäßigen Bezirk, 
            innerhalb dessen man die Glocken von Bow-Church 
            hört – würde schwerlich den Mut haben, die Toweraussicht 
            mit jenem Panorama 
            zu vergleichen, daß man von Edinburg-Castle aus vor Augen hat. | 
         
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          Vor 
              uns steigt die Neustadt 
              mit ihren Plätzen und Palästen, mit ihren Kirchen und 
              Statuen auf, bis endlich die dünner werdenden Linien sich in 
              Villen und Gärten und freies Feld verlieren. An klaren Tagen 
              wächst der Zauber dieses Bildes mit der Ausdehnung und dem 
              Reichtum der Landschaft. Dann sehen wir jenseits der Gärten 
              und Felder den blauen Wasserstreifen des Firth 
              of Forth, die kleinen Felseninseln darin und blicken selbst 
              über das blaue Band hinfort bis weit in die fruchtbaren und 
              erinnerungsreichen Täler der Grafschaft 
              Fife hinein.  | 
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